Trauer und Sexualität – wenn die Lust Scham erzeugt

Nach dem Tod eines geliebten Menschen ist die Sexualität ein Aspekt, welcher oftmals Unsicherheit und Scham auslöst. Denn die Sehnsucht nach körperlicher Nähe ist bei vielen Menschen da, auch wenn sie mitten im Trauerprozess sind. Manche spüren ein stärkeres sexuelles Verlangen, andere wiederum gar keines. Alles darf sein und ist normal. Wie du mit Sexualität während des Trauerprozesses umgehen kannst, erfährst du im Beitrag.

In der Trauer sind wir mit vielen Klischees konfrontiert, wie man zu trauern hat. Auch wenn die Gesellschaft kein Trauerjahr mit schwarzer Kleidung mehr verlangt, gibt es doch Normen, an die sich Trauernde zu halten haben. Fragen wie, Darf ich auf diese Party gehen? Oder darf ich wieder intim werden? löst im trauernden Menschen oftmals einen inneren Konflikt aus.

Wie ein Psychotherapeut seine Trauer erlebt

Psychotherapeut Irvin D. Yalom und seine Ehefrau Marilyn Yalom schreiben ein gemeinsames Buch. Ihr letztes gemeinsames Projekt, das Buch Unzertrennlich. Denn zu diesem Zeitpunkt erfahren sie, dass Marilyns Krankheit zum Tod führen wird. Sie sind 65 Jahre verheiratet und Irvin D. Yalom schildert eindrucksvoll, wie er nach dem Tod seiner Frau, das Leben wahrnimmt. Schonungslos und ehrlich zeigt er alle Facetten seiner Trauer.

 

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Trauer und erhöhte Libido

Irvin Yalom erzählt ganz offen in seinem Buch, dass er 45 Tage nach dem Tod seiner Frau verführerische sexuelle Gedanken habe. Diese treten jedes Mal, wenn er sich entspannt, auf. Vor allem große Brüste erregten ihn.

Irvin Yalom schreibt: Ich bin verunsichert und beschämt von diesen sexuellen Obsessionen. In meinem Kopf findet eine Debatte statt. Wie konnte ich mich und meine Liebe für Marilyn so entehren. Ist meine Liebe wirklich so hohl? Aber ist es auf der anderen Seite nicht meine Aufgabe, am Leben zu bleiben, ein neues Leben zu beginnen?

Dieser innere Konflikt treibt Irvin Yalom an, etwas über die Trauer und Sexualität zu erfahren. Er stößt auf einen Artikel aus Psycholgy Today 5 Dinge, die ihnen niemand über Trauer erzählt von Stephanie A. Sarkis. Welche die Libido bei trauernden Menschen beschreibt:

Ihre Libido wächst möglicherweise. Bei vielen vermindert Trauer den Geschlechtstrieb. Bei vielen anderen steigert sie ihn. Dies kann ziemlich konfliktbeladen für jene sein, die einen Ehepartner oder Lebensgefährten verloren haben. Aber wenn Menschen taub vor Schmerz sind, kann Sex ihnen dabei helfen, wenigstens irgendetwas zu spüren. Wenn die Bewältigung des Todes Teil des täglichen Lebens ist, stellt dies auch etwas Lebensbejahendes dar.

Viele Trauernde spüren sich selbst kaum, sind kaum real anwesend, doch die sexuellen Gedanken fühlen sich realer an, lebensbejahend. Starke Erregungszustände sind also nichts Ungewöhnliches während der Trauer, auch bei älteren Personen. Viele Menschen vergessen, dass ältere Personen genau so die Intimität und des*der Partner*in vermissen, sich jedoch oftmals nicht darüber sprechen trauen. Irvin D. Yalom war zum Zeitpunkt seines großen Verlustes 88 Jahre alt.

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Durch die Trauer kann die Libido steigen. (Foto: Pexels)

Der Seelsorger und Theologieprofessor Traugott Roser sagt:

Trauer würfelt den gesamten Körper durcheinander. Auch den Hormonhaushalt. Und in dem Zusammenhang kann es eben auch zu einer auffallenden sexuellen Bedürftigkeit oder Gefühlen kommen.

Auch beschreiben viele Trauernde, dass sie sich mit Sexualität von ihrem Schmerz ablenken möchten und sich durch Sex wieder spüren können.

Susann Brückner schreibt in der Berliner Zeitung von ihrer erhöhten Lust auf Sexualität nach dem Tod ihres Bruders. Nach anfänglicher Scham hat sie die eigene Sexualität ausgelebt und ist auf schöne und auch verstörende Erlebnisse gestoßen. Beispielsweise Weinen zu müssen nach dem Orgasmus, weil sich der Schmerz nach dem Loslassen wieder breit macht. Aber auch das schöne Gefühl, in einem solch dunklen Moment von einer anderen Person gehalten zu werden.

„Aber vor allem habe ich gelernt, dass ich mit Sex dem Tod singend in den Arsch treten kann („Sex is kicking death in the ass while singing“ – Zinzi Clemmons). Trauer ist Vergangenheitsschmerz und Zukunftsverlust. Guter Sex dagegen ist purer Gegenwartsgenuss. Vielleicht ist sexuelle Lust also eine Art Selbsthilfe des menschlichen Geistes, um zu überleben?“

Sexualität nach Tod des Partners

Ab wann darf man nach dem Verlust des Ehepartners wieder intim mit einem anderen Menschen werden? Diese heikle Frage, stellen sich viele Trauernde, welche die Intimität vermissen. Oftmals entsteht ein innerer Konflikt vor diesem Wunsch. Viele schämen sich wegen ihrer sexuellen Wünsche.

Die Trauer verläuft in Wellen: Sie kommt und geht. Nach dem Tod eines geliebten Menschen werden die Hinterbliebenen wieder und wieder von tiefer Trauer überrollt. Dazwischen treten allerdings auch positive Gefühle auf, die einem helfen, den Verlust zu ertragen und die Trauer zu bewältigen.

Wenn der Wunsch entsteht, mit einem anderen Menschen intim zu werden, heißt dies nicht, dass der Trauerprozess abgeschlossen ist. Beim Verarbeiten vom Tod eines geliebten Menschen gibt es gute und schlechte Tage. Warum also die guten Tage nicht nutzen und sich selbst etwas Gutes tun, neue Menschen kennenlernen.

Die Liebe zum verstorbenen Menschen wird nicht weniger wert, wenn es kurze Zeit nach dem Verlust zu Sexualität oder zu sexuellen Fantasien mit anderen Menschen kommt.

 

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Unverständnis der Gesellschaft zu Trauer und Sexualität

Viele Trauernde treffen dabei auf Unverständnis von Freunden, wenn sie den Wunsch nach Intimität ansprechen. Dieses Unverständnis kann den Trauernden zusätzlich belasten und seinen inneren Konflikt weiter befeuern. Über diesen Konflikt zu sprechen, kann sehr heilsam sein. Jedoch ist die richtige Wahl des Gesprächspartners entscheidend. Denn mit den eigenen Kindern beispielsweise möchte man nicht über die eigene Sexualität sprechen.

Eine unvoreingenommene Freundin oder Freund kann dabei eine Stütze sein.

Jedoch fällt auch dies vielen Menschen schwer, da wir in unserer Gesellschaft nicht lernen, wie wir über unsere sexuellen Bedürfnisse und Wünsche sprechen können. Vielen Trauernden fällt es leichter, mit einer außenstehenden Person über ihre sexuellen Gefühle und den inneren Konflikt zu sprechen. Sich professionelle Hilfe zu holen, während der Trauer, kann helfen, den Trauerprozess erträglicher zu gestalten und heikle Themen, wie die Sexualität nach dem Todesfall, anzusprechen.

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Professionelle Hilfe kann bei inneren Konflikten während der Trauer unterstützen. (Foto Pexels)

Sex und Trauer – Wann ist es ok als Paar wieder Sex zu haben

Nach einem Trauerfall nehmen einige Paare ihre Sexualität schnell wieder auf, andere wiederum brauchen eine gewisse Zeit, um wieder Intimitäten austauschen zu können. Beides ist vollkommen in Ordnung und ok. Jeder Mensch darf sich die Zeit nehmen, welcher er*sie braucht.

Die Trauer kann die Lust auf Sexualität eben auch stark beeinträchtigen. Vor allem, wenn Eltern ihr Baby verlieren oder ihr Kind noch im Mutterleib verstirbt. Dieser Schmerz des Verlustes kann lange andauern und bei manchen Frauen wird der Schoßbereich als schmerzvoll wahrgenommen. Dies kann dafür sorgen, dass es sehr lange dauert, bis die Frau sich wieder bereit für Sexualität fühlt.

Schwierig wird es, wenn ein*e Partner*in Sex möchte, der andere jedoch nicht. Dabei ist es wichtig, keinem einen Vorwurf zu machen, weder dem Partner, welcher Sex möchte noch demjenigen, welcher keinen möchte.

Miteinander über die Wünsche zu sprechen, ohne verurteilt zu werden, kann eine Erleichterung darstellen. Ebenfalls kann sich ein Paar wieder langsam annähern und schauen, wie weit die Intimität für beide schön ist.

Wie du den allgemeinen Trauerprozess unterstützen kannst

Rituale können den allgemeinen Trauerprozess unterstützen. Dafür kannst du beispielsweise in Gedenken an den Verstorbenen eine Kerze gestalten und diese dann anzuzünden, ein Bild malen oder an einen gemeinsamen Lieblingsplatz gehen. – sagt die Trauerbegleiterin Maria-Bernadetta Berndt. Ebenfalls kann es einem sehr guttun, mit anderen darüber zu sprechen. Dabei ist es wichtig, sich sicher zu fühlen. Dies kann professionelle Unterstützung, wie eine Trauergruppe, leisten.

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Den gemeinsamen Lieblingsplatz zu besuchen, kann den Trauerprozess unterstützen. (Foto Pexels)

Frau Berndt unterstreicht auch die Wichtigkeit, weder sich selbst noch andere in der Trauer zu verurteilen, nur weil jemand anders trauert, als die Gesellschaft es erwarten würde.

Denn jeder Mensch trauert anders.

Lustvolle Grüße Claudia

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Quellen:

https://www.berliner-zeitung.de/wochenende/als-mein-bruder-starb-war-ich-37-danach-bekam-ich-wahnsinnige-lust-auf-sex-li.170525

https://november.de/ratgeber/trauerhilfe/trauerphasen/

 

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